Ruth Silberberg

Hohenzollernstraße 8

Ruth Silberberg wuchs in der Familie eines Rabbiners in Viernheim auf. Nach dem Pogrom vom 9. November 1938 verließ die Familie Deutschland, und Ruth zog zu ihrer Mutter und ihrem Stiefvater nach Ludwigshafen. Im März 1945 – zwei Wochen vor der Befreiung durch die US-Armee – wurde sie nach Theresienstadt deportiert. Sie überlebte dort das Kriegsende und kehrte zurück in die Pfalz.

Biografie

Recherchiert von Anneliese Sahin

 

Ruth Silberberg wurde am 5. Oktober 1924 als uneheliche Tochter von Frieda Silberberg in Mannheim geboren. Die Mutter heiratete sechs Jahre später, am 4. Dezember 1930, den zwanzig Jahre älteren katholischen Witwer Konrad Groll, Wagnermeister mit eigener Werkstatt in Ludwigshafen, und konvertierte im Oktober 1934 in der St.-Gallus-Kirche in Friesenheim zum Katholizismus.

 

Ruth wuchs inzwischen bei der Familie des Rabbiners Heinrich Loew in Viernheim auf und wurde jüdisch erzogen. Das Pogrom am 9. November 1938 traf die Jüdische Gemeinde Viernheim schwer. Auch Ruth verlor ihre gesamte Habe. Die Familie Loew verließ Anfang 1939 das Land, und die inzwischen 14-jährige Ruth zog im März zu Mutter und Stiefvater in die Rohrlachstraße 115, nachdem dem Antrag für einen Kindertransport nach England, den das Jüdische Wohlfahrtsamt Mannheim gestellt hatte, nicht stattgegeben worden war. Konrad Groll bemühte sich bei der Gestapo-Stelle in Neustadt/W. um Schadenersatz für seine Stieftochter. Eine Gewährung geht aus den Akten nicht hervor.

 

Die nächsten Jahre verliefen sehr unstet für das Mädchen. 1939/40 leistete Ruth bei einem Bauern in Neuhofen ihr Landjahr ab, war im Juni 1940 wieder bei den Eltern in der Rohrlachstraße gemeldet, Anfang 1941 in Kirchheim/Teck und ab März wieder in Ludwigshafen, wo sie als Hausangestellte bei der Fa. Kutterer arbeitete. Im August 1943 starb Konrad Groll im Alter von knapp 71 Jahren im Städtischen Krankenhaus in Ludwigshafen an den Folgen eines Unfalls. Frieda Groll und ihre Tochter verblieben zunächst in der Wohnung in der Rohrlachstraße 115 und zogen im Dezember 1944 um in die Hohenzollernstraße 8. Anfang März waren sie in der Kanalstraße 17 gemeldet. Ab 1944 waren auch bis dahin „privilegierte“ jüdische Ehepartner aus nichtjüdisch-jüdischen Ehen nicht mehr vor Deportationen sicher.

 

Am 9. März 1945, genau zwei Wochen vor der Befreiung Ludwigshafens durch die Amerikaner, wurden Frieda Groll und Ruth Silberberg mit dem Transport III/11 unter den Nummern 22 und 23 mit fünf anderen Ludwigshafener Bürger/-innen und 38 weiteren jüdischen Pfälzer/-innen nach Theresienstadt „verschoben“, wie es die Amtssprache ausdrückte. Ruth war die Jüngste unter ihnen. Frieda Groll kehrte Mitte Juni nach Ludwigshafen in die Hohenzollernstraße 8 zurück. Ruths Rückkehr verzögerte sich; ein gesichertes Datum liegt nicht vor. Ab Mitte Juli erhielten Mutter und Tochter finanzielle Unterstützung. Im November verzog Ruth nach Olsbrücken im Kreis Kaiserslautern. Im März 1946 arbeitete sie als Hilfsarbeiterin bei der Firma Pfaff in Kaiserslautern. Ende Juli meldete sie sich in Lampertsmühle bei Kaiserslautern an, wo sie als Haushaltshilfe tätig war. Im Januar 1947 war sie wieder in Ludwigshafen gemeldet und im März dieses Jahres in Offenheim bei Alzey. Damit verliert sich die Spur der jungen Frau, die in ihren bis dahin 23 Jahren so viele Wechselfälle des Lebens zu verkraften hatte. Außer den Ortsangaben verraten die erreichbaren Unterlagen kaum etwas darüber, aber eine Aktennotiz vom 5. April 1946, sie „benötig[e] dringend Schuhe“, lässt erahnen, wie schwer sie es hatte, ihr Schicksal zu meistern.

Der Stolperstein für Ruth Silberberg wurde am 28. Oktober 2019 vor dem Wohnhaus in der Hohenzollernstraße 8 verlegt.