Edith Lefor

Schützenstraße 19

Edith Lefor war in Ludwigshafen geboren und aufgewachsen. Im Januar 1939 konnte sie mit einem Kindertransport nach England entkommen. Ihre Eltern wurden nach Gurs deportiert und ermordet.

Biografie

Aufgezeichnet nach Auskünften von Edith Riemer, geb. Lefor, 2009/2010

 

Der Name Lefor war in den zwanziger und dreißiger Jahren in Ludwigshafen ein Begriff, denn Ediths Vater Isidor Lefor betrieb gemeinsam mit Max Greilsamer die Eisenwarenhandlung Greilsamer und Lefor in der Schulstraße. Der am 11. Februar 1881 im thüringischen Bachfeld geborene Kaufmann heiratete 1920 die ebenfalls aus Thüringen stammende zwölf Jahre jüngere Margarete Kahn, genannt Grete. Beide hatten im ersten Weltkrieg gedient, er an der Front, sie beim Roten Kreuz.

 

Ein Jahr nach der Hochzeit von Isidor und Margarete Lefor wurde Tochter Edith geboren. Sie besuchte zunächst die Wittelsbachschule, später das Mädchenlyzeum – das spätere Geschwister-Scholl-Gymnasium. Wie die anderen jüdischen Schülerinnen und Schüler musste sie die Schule einige Zeit nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten verlassen und wechselte auf die Jüdische Schule in Mannheim. Dort seien die Lehrer sehr engagiert gewesen, aber auch überfordert von dem Ansturm der Kinder und deren unterschiedlichem Bildungsniveau. Edith Riemer erinnert sich auch, wie sie, die gute Leichtathletin, als 13-Jährige erst die Pfalz bei einem Wettbewerb vertreten sollte und dann als Jüdin ausgeschlossen wurde. Nach einem Jahr ging Edith Lefor als Praktikantin in ein jüdisches Kinderheim in Bollschweil in der Nähe von Freiburg, dann an einen jüdischen Kindergarten in Karlsruhe, wo sie ein Zimmer bei einem älteren jüdischen Ehepaar mieten konnte. Dorthin floh sie auch während der Reichspogromnacht. Es gelang ihr dann mit dem Zug, der voll mit SA- und SS-Leuten war, nach Hause nach Ludwigshafen zu kommen, ohne erkannt zu werden.

 

Isidor Lefor wurde nach der Reichspogromnacht wie viele andere männliche Juden verhaftet und ins Konzentrationslager Dachau gebracht. Seine Familie wusste nichts von seinem Verbleib, bis er sechs Wochen später, gezeichnet von einem schweren Herzinfarkt, zurückkam. Die Eltern ahnten wohl, was noch bevorstand. Als sich die Gelegenheit bot, die inzwischen 17-jährige Edith mit einem von einer jüdischen Organisation durchgeführten Kindertransport nach England zu schicken, zögerten sie nicht. „Das Letzte, was ich von meinen beiden Eltern sah, war, wie sie am 5. Januar 1939 auf dem Bahnsteig standen und mir zum Abschied winkten“, erinnert sich Edith Riemer heute.

 

Isidor und Grete Lefor wurden am 22. Oktober 1940 ins südfranzösische Lager Gurs deportiert. Dort starb Grete Lefor am 8. Februar 1942 nach langer Hungerzeit. Das und den Ort ihres Grabes konnte Isidor noch in einem Brief an seine Tochter berichten, von dem er bereits andeutete, dass es vielleicht sein letztes Schreiben sein könnte. Edith Riemer: „In jenen Tagen brauchten Briefe einige Monate um anzukommen; als ich den Brief erhielt, war ich bereits Waise.“ Am 12. August 1942 wurde der 61-Jährige nach Auschwitz deportiert und ermordet.

 

„Als eine der älteren Jugendlichen hatte ich nicht den Anspruch auf weiterführende Bildung und Ausbildung – das machte mein Leben komplizierter“, berichtet Edith Riemer über die erste Zeit in England. Im September 1947 verließ sie England, um in Israel einen Mann zu heiraten, den sie in London kennengelernt hatte. Im Jahr 1954 wanderte sie mit ihrem Mann und ihrer 1951 geborenen Tochter Dorit in die USA aus. Dort lebten sie zuerst in New York, später dann in einem ländlichen Gebiet. Ihr Mann starb 1999 an einem Herzinfarkt.

 

Edith Riemer ist zwei Mal nach Deutschland zurückgekehrt, im Jahr 1960 gemeinsam mit ihrer Tochter, das zweite Mal mit anderen ehemaligen Ludwigshafenern auf Einladung der Stadt Ludwigshafen im Jahr 1992. Sie hat auch das Grab ihrer Mutter in Südfrankreich gefunden: „Nur ein Holzstück mit ihrem Namen und dem Todesdatum markierte den Platz, der doch nicht mehr war als ein kleiner Hügel Schmutz.“

Der Stolperstein für Edith Lefor wurde am 3. Mai 2010 vor dem Wohnhaus in der Schützenstraße 19 verlegt.