Karl Sidlin

Prinzregentenstraße 65

Karl Sidlin ist in Ludwigshafen geboren und aufgewachsen. Im März 1939 konnte er mit einer Kindergruppe in das französische Château de la Guette ausreisen. Nach der Besetzung Frankreichs durch die Wehrmacht gelang ihm die Flucht in die Schweiz.

Biografie

Recherchiert von Dr. Stefan Mörz

 

Karl Sidlin wurde am 4. Januar 1926 in Ludwigshafen geboren. Nur eine Woche später erschoss ein Geistesgestörter seinen Vater, den 37-jährigen Uhren- und Goldschmiedehändler Carl Sidlin, der in der Prinzregentenstraße ein Uhren- und Schmuckgeschäft führte.

 

Die Mutter Therese Sidlin heiratete 1929 den aus Przemysl in Galizien (heute Polen) stammenden, in Berlin lebenden 38-jährigen Goldwarenhändler Oskar Schwarz – nach den Erinnerungen der Familie eine Konventionsehe. Schwarz übernahm das Geschäft; das Haus blieb im Besitz seiner Ehefrau. Der Sohn Karl Sidlin wurde nunmehr Karl Schwarz.

 

Der Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft brachte Unheil über die Familie. 1934 wurde Oskar Schwarz aufgrund neuer, vorzugsweise antisemitisch motivierter Gesetzgebung das 1919 in Baden erworbene deutsche Bürgerrecht wieder entzogen. Wenig später vollzog die Stadt Ludwigshafen diesen Schritt auch für Therese Schwarz und ihren Sohn. Durch ihre Heirat mit dem staatenlosen Carl Sidlin hatte Therese Sidlin / Schwarz kurzzeitig ihre deutsche Staatsbürgerschaft verloren und erst 1926, dann mit ihrem Sohn, wieder zurückerhalten. Diese „Unterbrechung“ diente jetzt als Hebel zur Ausbürgerung. Um 1938 verkaufte Therese Schwarz das Haus in der Grünerstraße – unter Druck und viel zu billig.

 

Nach dem Terror der so genannten Kristallnacht wurde Oskar Schwarz wie viele Ludwigshafener jüdische Männer für eine Zeit ins KZ Dachau gebracht. Nach seiner Rückkehr zwang man ihn, im Rahmen der NS-Politik der Verdrängung jüdischer Geschäftsinhaber, im Februar 1939 sein Geschäft, das er bis dahin weiterbetrieben hatte, zu verkaufen. Der Wert des Inventars wurde von einem nicht-jüdischen Schmuckhändler – vermutlich viel zu gering – geschätzt. Ein Uhrenhändler, der das Geschäft schon früher hatte erwerben wollen, übernahm es mit allen Waren und Inventar für einen niedrigen Preis.

 

Karl Schwarz konnte im März 1939 Deutschland verlassen, mit einer Gruppe von Kindern, die im französischen Château de la Guette bei Paris aufgenommen wurde. Sein Eltern hofften zu diesem Zeitpunkt noch auf ein Ausreisevisum für die USA. Nach der Besetzung Frankreichs durch die Wehrmacht mussten die in La Guette untergebrachten Kinder wieder fliehen, zunächst in den Süden Frankreichs. 1942 gelang Karl Schwarz von dort die Flucht in die Schweiz. 1945 ging er nach Palästine, ein Jahr später nach England. 1948 fand er mit seinen Eltern in den USA eine neue Heimat.

Der Stolperstein für Karl Sidlin wurde am 12. Mai 2023 vor dem Wohnhaus in der Prinzregentenstraße 65 verlegt.